Marke BIONIC für Klasse 3, 18 und 25 entgegen der Ansicht des DPMA schutzfähig

Das Zeichen BIONIC ist für Klasse 3, 18 und 25 entgegen der Ansicht des DPMA schutzfähig. Einer Registrierung der angemeldeten
Marke stehen für die beanspruchten Waren keine Schutzhindernisse aus
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 53/10
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 09 971.7
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
28. September 2010 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa
und Richterin Werner
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beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle vom 15. Oktober 2009 wird aufgehoben.
Gr ü n d e
I.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
Beschluss vom 15. Oktober 2009 die Anmeldung der für
Klasse 3:
Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Parfümeriewaren, ätherische
Öle, Seifen, Zahnputzmittel
Klasse 18:
Badetaschen, Sporttaschen, Campingtaschen, Einkaufstaschen,
Handtaschen, Bauchtaschen; Rucksäcke, insbesondere Trägerrucksäcke;
Handkoffer, Reisekoffer, Kosmetikkoffer, Schulranzen;
Sonnenschirme, Regenschirme
Klasse 25:
Bekleidung, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Gürtel
als Wortmarke beanspruchten Kennzeichnung
Bionic
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nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige
und freihaltungsbedürftige Angabe für alle beanspruchten Waren zurückgewiesen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, bei dem Zeichen „Bionic“ handle es sich um
das vom Englischen Begriff „bionics“ abgeleitete Adjektiv, auf Deutsch „bionisch“,
„auf der Wissenschaft der Bionik beruhend“. Dieser Begriff sei aus den Wörtern
„Biologie“ und „Technik“ zusammengesetzt und bezeichne die Wissenschaft,
technische Probleme nach dem Vorbild biologischer Funktionen zu lösen. Als Beispiele
habe die Anmelderin den sogenannten Lotuseffekt und die Haifischhaut für
die Beschaffenheit von Oberflächen genannt.
Der Begriff sei für sämtliche beanspruchten Waren beschreibend, da diese nach
dem Vorbild der Natur produziert werden könnten. In Verbindung mit Kosmetik
könne er auf natürliche Inhaltsstoffe hinweisen, in Verbindung mit Taschen, Schirmen
und Bekleidung auf eine selbstreinigende Oberfläche. Auch Material und
Schnitt von Kleidungsstücken könnten nach Vorbildern in der Natur entwickelt sein
bzw. entsprechende Eigenschaften aufweisen.
Der beschreibende Charakter werde zumindest von den am Handelsverkehr beteiligten
inländischen Fachkreisen erkannt. Der Begriff werde auch bereits vielfach
produktbeschreibend verwendet, insbesondere im Zusammenhang mit Bekleidung,
Materialien, Design und Kosmetik. Insofern könne vom Verständnis des
Verbrauchers ausgegangen werden.
Wegen der Verwendung des Begriffs „Bionic“ als Sachangabe, die als solche verstanden
werde, fehle der Marke auch jegliche Unterscheidungskraft.
Eine Beschwerdebegründung der Anmelderin liegt derzeit nicht vor. Im Anmeldeverfahren
hat sie argumentiert, bei der Marke „Bionic“ handle es sich um einen
Begriff, der in der Gesamtheit seiner Aussage keine allgemeinverständliche, be-
4 –
schreibende Angabe in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen
darstelle.
Die Bionik bezeichne die Wissenschaft, welche die Grenzgebiete zwischen Biologie
und Technik untersuche. Ziel der Bionik sei es, biologische Strukturen und
Funktionen im Hinblick auf deren technische Verwertbarkeit zu untersuchen und
als Anregung für eigenständiges technisches Gestalten zu nehmen. Im englischen
Sprachraum beschränke sich die Bedeutung von „bionics“ zumeist auf die Konstruktion
von Körperteilen oder allgemeiner auf eine Kombination von Biologie und
Elektronik. Was im deutschen Sprachraum als „Bionik“ bezeichnet werde, werde
im Englischen üblicherweise als „biomimicry“ oder „biomimetics“ bezeichnet. Ein
Beispiel für die bionische Forschung sei der Lotuseffekt, der sich vom Selbstreinigungseffekt
der indischen Lotusblüte herleite und in der technischen Umsetzung
zur Herstellung selbstreinigender Oberflächen diene.
In Bezug auf die Anmeldemarke sei zweifelhaft, ob die angesprochenen Verkehrskreise
den wenig geläufigen Begriff kennen würden. Jedenfalls sei er für die beanspruchten
Waren nicht beschreibend, da diese mit „Biologie“ und „Technik“ in keinerlei
Verbindung stünden und nicht auf speziellen biologischen Vorgängen oder
Techniken beruhten, welche die Waren besonders kennzeichnen könnten.
Körperpflegemittel etc. würden zwar möglicherweise aus natürlichen Bestandteilen
hergestellt. In diesem Bereich spiele die besondere Wissenschaft der Bionik
jedoch keine Rolle. Auch für die verschiedenen Taschen der Klasse 18 gebe es
keine Vorbilder in der Natur. Dasselbe gelte für die Waren der Klasse 25. Zwar sei
es denkbar, dass bspw. die Bekleidung aus speziellen Funktionsstoffen hergestellt
sei. Dass diese auf der Wissenschaft der Bionik beruhten, werde vom Publikum
jedoch weder erkannt noch sei es diesem bekannt.
Selbst bei einer analysierenden Betrachtungsweise könne die Anmeldemarke die
verschiedenen beanspruchten Waren nicht unmittelbar beschreiben. Der Begriff
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„Bionik“ sei so weit und unbestimmt und könne thematisch so viele verschiedene
Bereiche berühren, dass vollkommen unklar sei, inwiefern die beanspruchten
Waren – wenn überhaupt – „bionisch“ sein könnten. Ein hinreichend enger Zusammenhang
mit Merkmalen der Waren sei nicht gegeben. Die Anmeldemarke erwecke
– wenn überhaupt – allenfalls unklare Vorstellungen in Bezug auf mögliche
Eigenschaften der so bezeichneten Waren.
Das HABM habe am 7. November 2007 „Bionic“ im Rahmen der Schutzerstreckung
einer IR-Marke der Anmelderin auf die EU für schutzfähig erachtet.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen
Patent- und Markenamtes vom 15. Oktober 2009 aufzuheben und
die Eintragung der Anmeldemarke zu beschließen.
II.
1) Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere wurde sie fristgerecht eingelegt.
Die Zustellung des angefochtenen Beschlusses erfolgte laut Empfangsbekenntnis
am 29. Januar 2010. Die Monatsfrist des § 66 Abs. 2 MarkenG endete gemäß
§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m § 222 ZPO i. V. m §§ 187, 188, 193 BGB am
Montag, dem 1. März 2010. An diesem Tag erfolgte die Übersendung der Beschwerdeschrift
per Telefax, was nach der Regelung des § 11 Abs. 1 DPMAV
zulässig ist.
2) Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg; einer Registrierung der angemeldeten
Marke stehen für die beanspruchten Waren keine Schutzhindernisse aus
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.
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a) § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schließt nur unmittelbar warenbeschreibende
Angaben von der Registrierung aus. Sofern die Aussage allenfalls aufgrund
gedanklicher Schlussfolgerungen erkennbar ist, steht diese Norm der Eintragung
regelmäßig nicht entgegen (Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl.,
Rn. 251 zu § 8).
Bei der Bionik handelt es sich um eine Methode der Erkenntnisgewinnung, nämlich
um eine der sog. intuitiven Methoden auf dem Gebiet der Kreativitätstechnik
bzw. Ideenfindung. Intuitive Methoden arbeiten zum Zweck der Ideenfindung mit
Analogie- und Verfremdungsmethoden; Lösungen in einem Bereich sollen entsprechende
Ideen für einen anderen Bereich liefern.
Das Adjektiv „bionic“ bzw. auf Deutsch „bionisch“ bezieht sich also auf einen Prozess
der Erkenntnisgewinnung und bedeutet, dass bei der wissenschaftlichen
Bearbeitung eines Problems auf dem Gebiet der Technik Lösungen analysiert und
kopiert werden, die in analoger Weise aus dem Bereich der Biologie bereits
bekannt sind. Das Adjektiv „bionisch“ beschreibt damit eine bestimmte wissenschaftliche
Vorgehensweise. Eventuell beschreibt es auch, dass der mit diesem
Adjektiv gekennzeichnete Gegenstand auf dieser Vorgehensweise beruht. Es
beschreibt aber nicht Eigenschaften des jeweils gelösten technischen Problems
oder des Gegenstands selbst.
Somit ist die Argumentation der Markenstelle, die sich auf die Benennung von
Eigenschaften der angemeldeten Waren beschränkt, hinsichtlich der objektiven
Beschreibungseignung des Begriffs „bionisch“ nicht aussagekräftig. Es kommt
nämlich nicht nur darauf an, dass die beanspruchten Waren nach Herstellung,
Materialdesign oder Beschaffenheit nach dem Vorbild der Natur produziert werden
können. Vielmehr müsste es einen unmittelbaren Zusammenhang der angemeldeten
Waren zu einer wissenschaftlichen Vorgehensweise an sich geben, bei der
zur technischen Problemlösung Vorbilder in der Biologie gesucht werden. Ein solcher
ist aber bei den angemeldeten Waren der Klassen 3, 18 und 25 nicht ersichtlich.
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Auch aus den Google-Suchergebnissen, die dem Zurückweisungsbeschluss der
Markenstelle beiliegen, ergibt sich ein solcher Zusammenhang nicht. Die dort
abgedruckten Kurzzusammenfassungen deuten überwiegend auf eine markenmäßige
Verwendung des Begriffs „bionic“ oder auf eine Verwendung zur Kennzeichnung
der Wissenschaft der Bionik an sich hin.
b) Dem Begriff „Bionic“ fehlt auch nicht jegliche Unterscheidungskraft.
Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke
innewohnende (konkrete) Eignung, Waren, für welche die Eintragung beantragt
wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und
von denjenigen anderer zu unterscheiden. Die Unterscheidungskraft ist zum einen
im Hinblick auf die angemeldeten Waren und zum anderen im Hinblick auf die
beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke
durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren abzustellen ist.
Marken besitzen keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen
Verkehrskreise lediglich einen beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn
sie aus gebräuchlichen Wörtern der deutschen Sprache oder einer geläufigen
Fremdsprache bestehen, die nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden.
Maßgebend für die Unterscheidungskraft ist, ob der angesprochene Verbraucher
in der angemeldeten Marke einen Herkunftshinweis erblickt oder nicht.
Vorliegend ist bei allen angemeldeten Waren die Gesamtbevölkerung im Sinn der
normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher
angesprochen, da es sich bei sämtlichen Waren um Alltagsgegenstände
(Taschen, Schirme, Bekleidungswaren, etc.) bzw. Waren des täglichen
Bedarfs (Körperpflegemittel, etc.) handelt.
Bei Angaben, die Waren nicht unmittelbar beschreiben, fehlt die Unterscheidungskraft,
wenn das Publikum in der Angabe einen üblichen Begriff aber kein Unterscheidungsmittel
für die Herkunft der angemeldeten Waren sieht. Es ist dabei
– 8 –
erforderlich, dass der einer Annahme der Unterscheidungskraft entgegenstehende
Aussagegehalt so deutlich und unmissverständlich hervortritt, dass er für die beteiligten
Verkehrskreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist.
Wie bereits erläutert, beschreibt das Adjektiv „bionic“ eine bestimmte wissenschaftliche
Vorgehensweise, nämlich das Analysieren und Kopieren von Lösungen,
die aus dem Bereich der Biologie bereits bekannt sind, bei der wissenschaftlichen
Bearbeitung eines Problems auf dem Gebiet der Technik.
Zwischen dieser wissenschaftlichen Vorgehensweise als dem Sinngehalt der
angemeldeten Marke und den beanspruchten Waren, wie Zahnputzmittel, Taschen
oder Bekleidung, besteht kein unmittelbarer und konkreter Sachbezug, der
sich dem Durchschnittsverbraucher ohne weiteres aufdrängt. Vielmehr bedarf es
mehrerer gedanklicher und analysierender Zwischenschritte, um von der wissenschaftlichen
Vorgehensweise an sich – d. h. dem Untersuchen und Kopieren biologischer
Phänomene für technische Problemlösungen – auf deren mögliche Ergebnisse
– etwa den Einsatz des Lotuseffekts zur Ausbildung schmutzabweisender
Oberflächen – allgemein und von diesen Ergebnissen weiter auf etwaige Eigenschaften
der beanspruchten Waren – zum Beispiel, eine schmutzabweisende
Oberfläche einer Campingtasche – zu schließen.
Nur gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer
geläufigen Fremdsprache fehlt aber die Unterscheidungskraft, wenn sie nur als
solche in ihrer ursprünglichen (nicht markenmäßigen) Bedeutung verstanden werden.
Das Zeichen „bionic“ ist kein geläufiges Wort der englischen Sprache. Vielmehr
stellt es einen Fachausdruck einer ingenieur- bzw. naturwissenschaftlichen Disziplin
dar, dessen Bedeutung nur einem kleinen Fachpublikum geläufig sein dürfte.
Die Zusammensetzung des Wortes aus „Biologie“ und „Technik“ ist nicht ohne
Weiteres ersichtlich und wird vom Durchschnittsverbraucher nicht erkannt.
Der maßgebliche Durchschnittsverbraucher, dem weder die semantische Bedeutung
noch die „etymologische“ Zusammensetzung des Wortes „bionic“ geläufig ist,
wird dieses Wort daher auch nicht in seiner ursprünglichen, nicht markenmäßigen
Bedeutung verstehen. Er nimmt das Zeichen „bionic“ auch nicht als Abwandlung
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einer beschreibenden Angabe wahr, der jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Möglicherweise
erweckt das Zeichen beim Durchschnittsverbraucher aufgrund der ersten
Silbe „bio“ einen diffusen Anklang an „biologisch“, „natürlich“ oder ähnliches.
Der aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher erkennt aber aufgrund
der sprachlich unpassenden Endsilbe „nic“ die Eigenart des angemeldeten
Zeichens.
Ein Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ist daher nicht anzunehmen.
3) Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht
kein Anlass.