Der Betreiber eines Internetportals, auf dem Kunden im Wege der Vermittlung Flüge buchen können, verstößt auch dann nicht gegen das Verbot unlauterer Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 UWG, wenn die der Vermittlung zugrundeliegenden, frei zugänglichen Flugverbindungsdaten im Wege einer automatisierten Abfrage von der Internetseite der Fluggesellschaft ermittelt werden (sog.“Screen Scraping“)

BGH I ZR 224/12 vom 30. April 2014 – Flugvermittlung im Internet

Der Betreiber eines Internetportals, auf dem Kunden im Wege der Vermittlung Flüge buchen können, verstößt auch dann nicht gegen das Verbot unlauterer Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 UWG, wenn die der Vermittlung zugrundeliegenden, frei zugänglichen Flugverbindungsdaten im Wege einer automatisierten Abfrage von der Internetseite der Fluggesellschaft ermittelt werden (sog.“Screen Scraping“), und sich der Betreiber des Internetportals während des Buchungsvorgangs durch das Setzen eines Hakens mit den Nutzungsbedingungen der Fluggesellschaft einverstanden erklärt, die einen solchen automatisierten Abruf von Flugdaten untersagen.

BGH, Urteil vom 30. April 2014

I ZR 224/12

OLG Hamburg
LG Hamburg

2

Der I.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündl
iche Verhand

lung vom 22.
Januar 2014 durch
die
Richter
Prof.
Dr.
Büscher
,
Pokrant,
Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Koch und Dr.
Löffler
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen
Oberlandesgerichts Hamburg –
5.
Zivilsen
at
– vom 24.
Oktober 2012
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich des U
n-
terlassungshauptantrags zum Nachteil der Beklagten erkannt wo
r-
den ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Ko
sten der Revision, an das B
e-
r
u
fungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin
ist eine Fluggesellschaft, die preisgünstige Linienflüge anbi
e-
tet. Sie vertreibt ihre Flüge nicht über Reisebüros, Reiseveranstalter oder son
s-
tige Verm
ittler, sondern ausschließlich über ihre Internetseite sowie ihr Callce
n-
ter.
Dort bietet die Klägerin auch die Möglichkeit zur Buchung von Zusatzlei
s-
tungen Dritter wie beispielsweise Hotelaufenthalte oder Mietwagenreservieru
n-
gen
an
.
A
uf der Internetseite d
er Klägerin
kann zudem
gegen Entgelt Werbung
geschaltet werden.
1

21

den
Name
n
als auch
die
Anschrift und
die
Telefonnum
mer d
er Kunden
mitteilt
und die Bek
lagte sich darüber hinaus am 5.
September 2012 zur Weiterleitung
der E

Mail

A
dresse
des Kunden
verpflichtet hat. Damit
verfügt die
Klägerin
über
ausreichende Möglichkeiten, mit den Kunden zu kommunizieren
. Soweit die
Revisions
erwiderung geltend macht, die Beklagte habe nach Verkündung des
Berufungsurteils die Auffassung vertreten, die Klägerin könne aus der Verpflic
h-
tungserklärung vom 5.
September 2012 keine Ansprüche herleiten, kann dieser
neue Sachvortrag in der Revisionsinst
anz nicht berücks
ichtigt werden (§
559
Abs.
1
ZPO).
(4)
Mit Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des B
e-
rufungsgerichts, die Beklagte beeinträchtige gezielt die ungehinderte Kommun
i-
kation und Vertragsabwicklu
ng zwischen der Klägerin und
den
Kunden, weil sie
beim Buchungsvorgang ihre eigenen Kreditkartendaten und nicht diejeni
gen der
Kunden angebe.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Kreditkartendaten
seien für eine verlässliche Kommunikation der Klägerin mit ihren Vertragspar
t-
nern v
on erheblicher Bedeutung, weil
für den Regelfall
allein
diese Daten au
s-
reichend verlässlich seien, um sicherzustellen, dass entweder mit derjenigen
Person, für die die Kreditkarte ausgegeben worden sei, oder mit einer Person
kommuniziert werde
, der diese K
reditkarte vom Inhaber zur Verfügung gestellt
worden sei.
Daraus lässt sich keine Interessenbeeinträchtigung ableiten
, die im
Rahmen der Gesamtwürdigung im Sinne von §
4 Nr.
10 UWG von Bedeutung
ist.
Bei der Angabe von Kreditkartendaten im Rahmen eines
Buchungsvo
r-
gangs geht es um die Sicherstellung der Entrich
tung des Kaufpreises, die bei
m
Erwerb von Flugreisen nicht vom Schuldner persönl
ich vorgenommen werden
muss (§
267 BGB). Es kommt damit allein darauf an, dass die Kreditkartend
a-
ten der Person angeg
eben werden, die die Zahlung vornimmt. Eine weiterg
e-
47
48

22

hende Funktion
der Kreditkartenangabe
ist vom Berufungsgericht nicht festg
e-
stellt worden und auch sonst nicht ersichtlich.
(5)
Eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung der Klägerin
folgt entg
e-
gen d
er Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht aus den von der Klägerin
vorgetragenen Kundenbeschwerden wegen unvollständiger Buchungsdaten
und unterbliebener Sicherheitschecks
.
Diesen
Ausführungen
lässt sich nicht
entnehmen, ob die
betreffenden
Beschwerden s
ymptomatische Missstände b
e-
schreiben, die nicht lediglich den Charakter von im normalen Geschäftsverkehr
nicht völlig auszuschließenden
Einzelfällen haben. Entsprechendes gilt für die
Annahme des Berufungsgerichts,
die Klägerin
befürchte
nicht ohne Grund,
ihr
Ansehen
könne (auch) durch schlechten Service der gewerblichen Vermittler
leiden
.
(6
) Dem Berufungsgericht kann auch nicht in der Beurteilung
zugestimmt
werden,
die
Klägerin
habe
ein grundsätzlich schutzwürdiges Interesse daran,
dass
sich
die von ih
r angebotenen Flugpreise nicht durch Vermittlungsp
rovisi
o-
nen
erhöhen
. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die
Beklagte
durch das
Sammeln und Aufbereit
en der auf die Buchungsanfrage ein
es Kunden passe
n-
den Flugdaten eine eigene Leistung erbringt, die auch n
ach den Feststellungen
des Berufungsgerichts dem Interesse des Kun
den entspricht.
Die Annahme des
Berufungsgericht
s
, die Beklagte lege es darauf an,
den
Kunden die Kenntnis vorzuenthalten
, dass die Zusatzgebühren von ihr und
nicht von den Fluggesellscha
ften erhoben werden, wird
nicht
durch
die g
e-
troffenen
Feststellungen getragen.
Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt,
die Kunden
würden
bei der Buchung über das Internetportal der Beklagten ko
n-
kret dahingehend getäuscht, dass bestimmte von der Beklag
ten erhobene
Preisbestandteile fälschlich der Klägerin zugerechnet werden. Auch
für
eine
49
50
51

23

vom Berufungsgericht angenommene abstrakte Irreführungsgefahr fehlt es an
hinreichenden Feststellunge
n
.
Das Berufungsgericht
hat
vielmehr
angeno
m-
men
,
die angesprochene
n Verkehrskreise
gingen davon aus
, dass die von der
Klägerin versprochenen günstigen Preise nur bei einer Buchung direkt auf der
Internetseite der Klägerin garantiert werden könnten.
Es
hat ferner festgestellt,
es
sei häufig bekannt
, dass das Preisgefüge b
ei Einschaltung von Drittunte
r-
nehmen als Vermittler nicht notwendigerweise demjenigen bei einem Direkte
r-
werb vom Hersteller oder Anbieter entspreche
. Es hat
weiter
ausgeführt, dass
die Beklagte während des Ablaufs der Buchung dem
Nutzer ihre eigenen G
e-
bühr
en –
wenn auch nur

nach und nach


offenbare.
Damit lässt sich die A
n-
nahme nicht in Einklang bringen, die Kunden gingen davon aus, die zusätzl
i-
chen Preisbestandteile würden von der Klägerin verlangt.
Im Übrigen hat die Klägerin auch in der Antragsfass
ung nicht zum Au
s-
druck gebracht, dass sich das Verbot auf eine Verletzungsform bezieht, bei der
die Beklagte die Kunden üb
er die Preisgestaltung täuscht.
III. Da sich das
Berufungsurteil
nicht aus anderen Gründen als richtig e
r-
weist,
ist
es aufzuheben (
§
562 Abs.
1 ZPO)
, soweit zum Nachteil der Bekla
g-
ten hinsichtlich des Unterlassungshauptantrags erkannt worden ist.
D
ie Sache
ist
an
die
Vorinstanz
zurückzuverweisen, weil s
ie noch nicht zur Endentsche
i-
dung reif ist (§
563 Abs.
1 und
3 ZPO).
Das Berufungsg
ericht hat –
aus seiner
Sicht folgerichtig

keine
Feststellungen zu den von der Klägerin
zur Begrü
n-
dung d
es Unterlassungshauptantrags
geltend gemachten Ansprüchen
wegen
ergän
ze
nden
Leistungsschutz
es
gemäß §
4 Nr.
9 UWG
und wegen Irreführung
52
53

24

gemäß §
5 UW
G getroffen.
Dasselbe
gilt
für
die von der Klägerin gestellten
Hilfsanträge
.
Entgegen der Ansicht der Revision hat
das Berufungs
gericht
i
n-
soweit
auch noch
keine Feststellungen im Hinblick auf die geltend gemachten
u
rheberrechtlichen Ansprüche getroffen.
Büscher
Pokrant
Schaffert
Koch
Löffler
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 26.02.2010

310 O 31/09

OLG Hamburg, Entscheidung vom 24.10.2012

5 U 38/10